ESC 2017: Verrat an der guten Sache

Von | 14. Mai 2017

Am vergangenen Samstag war es mal wieder soweit: Der Eurovision Song Contest fand statt, Ausrichter war in diesem Jahr die Ukraine. Und genau darin liegt die Entwicklung begründet, dass der diesjährige Wettbewerb einen kompletten Verrat aller Ideale hat durchgehen lassen, für die er einstmals stand. Der ESC stand für das friedliche gemeinsame Musizieren aller europäischen Nationen – in diesem Jahr galt dies nicht mehr, auch wenn es in der Berichterstattung weiterhin so dargestellt wurde.

Was war passiert? Die Kandidatin Russlands, Julia Samoilowa, war auf der Krim aufgetreten und hatte in Kiew dafür nicht um Erlaubnis gebeten – aktuell in der Ukraine ein Rechtsverstoss und Grund für ein dreijähriges Einreiseverbot. Auch für ein internationales Großereignis waren die Funktionäre in Kiew nicht bereit, der Kandidatin eine Ausnahmegenehmigung zu erstellen.

So weit, so schlecht. Grundsätzlich steht es jedem Land frei, Leuten die Einreise zu verweigern. Der eigentliche Skandal liegt in der Gleichgültigkeit, die anschließend in der internationalen Reaktion folgte. Die European Broadcasting Union (EBU), die für den Wettbewerb verantwortlich ist, hätte sagen können, die Veranstaltung werde der Ukraine entzogen, wenn sie nicht alle Teilnehmer einreisen lässt – hat sie nicht. Andere Länder, zumindest die, die Russland nahe stehen, hätten die Veranstaltung boykottieren können – haben sie nicht. Künstler hätten bei ihrem Auftritt ein Schleifchen oder einen „Je suis Julia“-Button tragen können, aus Solidarität mit der russischen Künstlerin – haben sie nicht.

Unter dem verlogenen Motto „Celebrate Diversity“ (Feiere die Vielfalt) wurde zur Tagesordnung übergegangen und zugelassen, dass eine Bewerberin einfach aus politischen Gründen ausgeschlossen wird. Und das deutsche ESC-Kommentatoren-Urgestein Peter Urban wäre kein Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Medien, wenn er in der einzigen kurzen Erwähnung der Affäre nicht Russland für die „Provokation“ mit dieser Teilnehmerin verantwortlich gemacht hätte.

Man stelle sich vor, Moskau wäre Ausrichter gewesen und hätte einer teilnehmenden Conchita Wurst die Einreise verweigert, weil in Russland „Werbung für Homosexualität“ gegen geltendes Recht verstösst – genauso so ein blödsinniges „Recht“ wie die Sache mit dem Auftritt auf der Krim. Was hätte das für einen Aufschrei gegeben – die europäischen Medien würden bis zum Ende des Jahres Kommentare mit Schaum vor dem Mund darüber absetzen, diverse Verbände und Politiker kämen aus dem Protestieren nicht mehr raus und der Ruf nach weiteren Russland-Sanktionen wären schnell da gewesen. Aber es ging ja nur eine junge Frau im Rollstuhl aus dem Land des Gottseibeiuns Putin – Russland – da geht man dann gern zur Tagesordnung über.

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