In der Entscheidungssackgasse – wenn man nur verlieren kann

Von | 9. Mai 2011

Es gibt Situationen, da kann man einfach nicht gewinnen. So erging es kürzlich der SPD bei der Debatte um den Ausschluß des kontroversen Buchautors Thilo Sarrazin. Nachdem die Parteiführung in einem ersten Ansturm von Entrüstung den Rausschmiß Sarrazins forderte, erwies sich dieser populistische Beißreflex letztendlich als Sackgasse. Nun ist der Aufschrei groß bei all jenen, die sich immer noch durch die Aussagen des ehemaligen Bundesbank-Vorstandmitgliedes beleidigt fühlen oder ihn am besten gleich zum Beinahe-Nazi diffamieren möchten. Aber stellen wir uns einmal vor, das Parteigericht hätte den Ausschluß durchgezogen. Mindestens genauso groß wäre wieder der Aufschrei gewesen, es wären nur andere Empörte gewesen, die – zu recht – gefragt hätten, ob es sich eine große Volkspartei (für die sich die SPD ja immer noch hält) leisten kann, abweichende Meinungen sofort mit dem Hinauswurf zu bedrohen und wie es dort denn allgemein mit der freien Meinungsäußerung aussieht. Darüber hinaus hätte es auch noch rechtlich große Fragezeichen gegeben, wenn Sarrazin sich juristisch gewehrt hätte. Insofern konnte die SPD-Führung nur noch als Verlierer aus dieser Geschichte hinauskommen.
Ganz ähnlich auch die Situation der USA beim Aufspüren des Terroristenführers Osama Bin Laden. In dem Moment, als der Aufenthaltsort des Verbrechers bekannt war, konnte die USA moralisch nur noch verlieren, zumindest aus „Gutmenschen“-Sicht. Denn jetzt kommen schon wieder die Empörten, die laut „Mord“ rufen und die Erschiessung des Al Kaida-Chefs als Unrecht brandmarken. Aber stellen wir uns einmal die Alternative vor: Bin Laden wäre festgenommen und in irgendein amerikanisches Geheimgefängnis gebracht worden, damit man ihm anschließend den Prozess macht. Wie hätte sich dies wohl auf die Sicherheitslage westlicher Bürger weltweit ausgewirkt? Wenn man genau weiß, daß Geiselnahmen das tägliche Brot der Islamisten sind, kann man sich lebhaft vorstellen, daß Dutzende von Al Kaida-Zellen begonnen hätten, westliche Bürger zu kidnappen, um ihren „Big Boss“ freizupressen. Vielleicht wäre auch der ein und andere Anschlag dazu gekommen, um der ganzen Sache noch etwas Nachdruck zu verleihen. Vielleicht hätten dann viele im Nachhinein gefragt, warum man Bin Laden nicht unschädlich gemacht hat.
Insofern muß sich jeder, der große politische Entscheidungen zu treffen hat, darüber im Klaren sein, daß es keine Ideallösungen gibt. Die SPD hat sich durch ihr übereiltes Vorpreschen gegen Sarrazin selbst in diese Bredouille gebracht und muß nun ihre Suppe auslöffeln. Die Amerikaner hingegen sind pragmatisch und wissen, daß man eben Eier zerschlagen muß, um ein Omelett zu machen – auch wenn dies einigen Hühnern nicht gefällt.

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